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Preisträgerin 2024

Hilke Raddatz

Mit Hilke Raddatz ehrt die Jury in diesem Jahr die hoch angesehene und vielseitige Illustratorin. Die 1941 geborene Zeichnerin hat etliche Kinderbücher veröffentlicht. Vor allem bekannt geworden ist sie allerdings für ihre Illustrationen zur Rubrik „Briefe an die Leser“ des monatlich erscheinenden Satiremagazins „Titanic“.

Preisträgerinnen und Preisträger

2021

Mawil

Der Berliner Comic-Autor Markus Witzel alias Mawil ist 2021 mit dem Wilhelm Busch-Preis für satirische und humoristische Zeichenkunst und Versdichtung ausgezeichnet worden.

Die feierliche Verleihung des Wilhelm-Busch-Preises erfolgte am 28. Juni 2022 um 19:30 Uhr im Wilhelm-Busch-Gymnasium in Stadthagen. Die Laudatio hielt der Berliner Schriftsteller Jochen Schmidt, der mit Mawil seit vielen Jahren befreundet ist. Die Preisverleihung wurde von dem bekannten NDR-Journalisten und Moderator Jan Starkebaum moderiert. Künstlerisch umrahmt wurde die Preisverleihung durch den aus dem Schaumburger Land stammenden, international bekannten Pianisten Roman Rofalski sowie dem mehrfach preisgekrönten Pantomimen und Comedian Herr Niels.

Mit Mawil ehrte die Jury einen national wie international höchst angesehenen, aber vor allem auch viel gelesenen Comic-Künstler, dessen Auszeichnung für den Wilhelm-Busch-Preis in mehrfacher Hinsicht eine Wegscheide markiert.

So wurde mit dem 1976 geborenen Markus Witzel erstmals ein Zeichner geehrt, der auf eine Veröffentlichungshistorie seiner Werke zurückblicken kann, die komplett in das 21. Jahrhundert fällt. Er steht zudem für eine neue Künstler-Generation, die selbstbewusst die Hochschulen für eine ausgewiesene Comic-Ausbildung für sich erobert hat. Im Fall von Mawil war das die Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo er auch Teil der Monogatari-Gruppe war, der neben ihm Comic-Schaffende wie Jens Harder oder Ulli Lust angehörten, die bis in diese Tage wichtige Protagonisten der deutschsprachigen Comic-Szene sind.

Mawil ist auch der erste Wilhelm-Busch-Preisträger, der in der DDR geboren wurde, wo er seine Kindheit in Ost-Berlin in einer religiös geprägten Familie verbrachte, die den Alltag in kritischer Übereinkunft mit den Erwartungen der sozialistischen Herrschaftsordnung organisieren musste. Von dieser Zeit erzählt auch sein – in Teilen klar autobiographisch konnotiertes – Comic-Schaffen. Allen voran die preisgekrönte Graphic Novel „Kinderland“ von 2014, die zur Zeit des Mauerfalls spielt und für Mawil mit zahlreichen Übersetzungen, darunter einer vielbeachteten französischen Ausgabe, den endgültigen internationalen Durchbruch markierte.

Alle seine Comics zeichnet bereits beginnend mit seinen Frühwerken „Strandsafari“ und „Wir können ja Freunde bleiben“ ein gleichzeitig sehr lockerer wie auch ungemein stilsicherer Zeichenstrich aus – der ganz spezielle Mawil-Stil. Der Künstler selbst siedelt diesen zwischen klassischem Funny und spontanem Krakel an. Die Zeichnungen strahlen so eine ungekünstelte Authentizität aus, die perfekt zu den sehr persönlichen Inhalten seiner Werke passt.

Dies bestätigen ganz besonders seine opulenten Comic-Sonntagsseiten, die von 2006 bis 2019 im Berliner „Tagesspiegel“ erschienen. Hier konnte er sich – gepaart mit einer unglaublichen Detail-fülle in den Zeichnungen – nicht nur in die Tradition der großen amerikanischen Zeitungs-Comics stellen, sondern eroberte sich mit diesem grandiosen Comic-Schaufenster schon in jungen Jahren ein veritables Massenpublikum.

Das galt erst recht, als Mawil vor zwei Jahren als erster deutscher Comic-Künstler die franko-belgische Traditionsserie „Lucky Luke“ für ein Album übernahm und dem Westernhelden gleich einen Sattelwechsel verpasste – runter von Jolly Jumper und rauf auf einen Drahtesel. Wie er diese sich überraschend gut in das Setting des Originals einpassende Aufgabe bewältigte und gleichzeitig einen authentischen Mawil-Comic ablieferte, unterstreicht die Meisterschaft dieses Künstlers, von dem auch in den nächsten Jahren sicherlich noch Großes zu erwarten ist. Humor, Vielseitigkeit und der genaue Blick auf den menschlichen Alltag zeichneten auch Wilhelm Busch aus. Mawil tritt – ganz in diesem Sinne – würdig in seine Nachfolge.

2019
Isabel Kreitz

Die Hamburger Comic-Autorin Isabel Kreitz wurde 2019 mit dem Wilhelm-Busch-Preis für satirische und humoristische Zeichenkunst und Versdichtung ausgezeichnet, den die Stiftung Sparkasse Schaumburg, die Schaumburger Landschaft und die Schaumburger Nachrichten alle zwei Jahre verleihen.

Isabel Kreitz zählt mit ihrem vielschichtigen Comicwerk zu den bekanntesten deutschsprachigen Comic-Autorinnen im In- und Ausland. Dies zeigen auch die zahlreichen Auszeichnungen wieder, die sie bisher erhalten hat, wie 1997 den Deutschen Comicpreis (Comic-Festival Hamburg), 2008 und 2012 den Max-und-Moritz-Preis sowie 2008 und 2011 den Sondermann-Preis.

Isabel Kreitz wurde 1967 in Hamburg geboren und besuchte ab 1988 die Fachschule für Gestaltung. 1990 studierte sie an der Parson School in New York, wo sie den Professionalismus der amerikanischen Comic-Zeichner kennenlernte. Die Lust am Comiczeichnen verfestigte sie durch einen Comic-Kurs bei Gérald Gorridge in Erlangen (1991). Sie wirkte im Zeichnerteam der „Ottifanten“ mit und veröffentlichte einige Comic-Kurzgeschichten, z. B. „Fenstersturz“ im Magazin Strapazin 31/1993. Der Durchbruch gelang ihr 1993 mit der Teilnahme an der Gemeinschaftsausstellung Comopoly der INC (Hamburger Initiative Comic Kunst). Nahezu zeitgleich erschien ihre witzige und ironische Stripserie „Heiß + Fettig“, die vom Alltag an einer Hamburger Imbisstube erzählt, in der Bild-Zeitung und 1994 gesammelt als Album. 1994 schloss Isabel Kreitz ihr Studium an der Fachhochschule ab. In ihrer Diplomarbeit mit dem Titel „Schlechte Laune“ verschmelzen zeitgenössische Jugendkultur und Horrorelemente: Der junge S-Bahn-Surfer Ralf erleidet einen schweren Unfall und lebt von nun an als Freak in der Hamburger Kanalisation. Drei weitere Ralf-Alben (1995, 1997, 2003) sollten folgen.
1995 veröffentlichte Isabel Kreitz bei Carlsen das Album „Ohne Peilung“, das Jugendliche mit der NS-Zeit in Hamburg konfrontiert, ein Thema, das sie bis heute beschäftigt. Für die Landeszentrale für politische Bildung (Hamburg) zeichnete sie 1996 ein Comic-Heft, „Unter uns“, das bei aller Unterhaltung vor allem Denkanstöße und politische Mündigkeit forderte, ohne belehrend oder vorschreibend zu sein. Es geht um ein junges Mädchen, das ins Neonazimilieu gerät. Neben eigenen Geschichten widmet sich Isabel Kreitz auch der Adaption. Auf ihre Weise erzählte sie 1996 mit den narrativen und visuellen Möglichkeiten der Bildgeschichte Uwe Timms Roman „Die Entdeckung der Currywurst“. Am bekanntesten sind ihre Adaptionen nach Romanen von Erich Kästner. 2006 erschien das erste Buch, „Der 35. Mai“ als Hommage an Kästners großartigen Illustrator Walter Trier.

Brisante Themen der Vergangenheit wie der Gegenwart weiß Isabel Kreitz in spannend erzählten Geschichten aufzugreifen. Sie unterhalten nicht nur, sondern geben auch reflektierende Anstöße, wie beim Zusammenspiel von Wirtschaftskriminalität und Terrorismus („Waffenhändler“, 1998). Die eher heitere Geschichte um einen Koch, der Kartoffeln liebt, transportiert das wichtige Thema Entwicklungshilfe („Die Leidenschaften des Herrn Lührs“, 2001, zusammen mit Laura Bartels für die Deutsche Welthungerhilfe). Informativ wie spannend ist ihr umfangreicher Bildroman „Die Sache mit Sorge“ (2008), dessen Protagonist zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in Tokio für den sowjetischen Militärgeheimdienst spioniert. Die Nachkriegszeit, in der sich die Menschen bemühen, wieder in ein „normales“ Leben zu finden, ist Thema des Bildromans „Rohrkrepierer“ (nach Konrad Lorenz, 2015). Der Leserschaft Informationen und Denkanstöße zu geben, ist ihr wichtig. Das zeigt sich auch in ihrer Serie zu 60 Jahren deutscher Nachkriegsgeschichte, die 2009 in der Frankfurter Rundschau erschien. Die erinnerten Ereignisse aus Politik, Gesellschaft und Kultur erscheinen 2011 gesammelt: „Deutschland. Ein Bilderbuch“.
Aber auch die Lust am Erzählen kruder, mysteriöser Geschichten prägt ihr vielschichtiges Werk, wie ihre mit Eckart Breitschuh und Stefan Dinter geschaffene sechsteilige Heftreihe „Mabuse“ (2000/2002) oder der historische Kriminalfall „Haarmann“ (zusammen mit Peer Meter, 2010) zeigen. Hier reiht sich die Herausgabe der Gruselcomicreihe „Die Unheimlichen“ ein, der sie mit „Den Nachfolgern im Nachtleben“ (nach Sarah Khan, 2018) auch selbst ein lesenswertes Beispiel beisteuert.

Auch wenn Isabel Kreitz sich bescheiden mehr als Handwerkerin denn als Künstlerin sieht –sie hat mit ihrem breit aufgestellten Werk eine künstlerische und narrative Qualität vorgelegt, die beispielhaft die „Neunte Kunst“ als kulturell bedeutsam und anderen Kunstformen gleichrangig ausweist. Die Bildgeschichte in kurzer wie auch in romanhaft langer Form als künstlerisches Werk, das Unterhaltung, Genuss und Denkimpuls vereint, war auch die überragende Leistung Wilhelm Buschs. Isabel Kreitz tritt damit würdig in seine Nachfolge.

2017
Ralf König

Ralf König wurde 2017 mit dem Wilhelm-Busch-Preis ausgezeichnet. Er ist der national und international mit Abstand erfolgreichste und anerkannteste deutsche Comic-Zeichner unserer Tage. Das unterstreichen neben Veröffentlichungen in aller Welt zahlreiche Auszeichnungen auf renommierten Comic-Festivals, etwa in Angoulême (Frankreich) oder Lucca (Italien). Und gleich viermal wurde Ralf König bereits mit einem Max und Moritz-Preis auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen ausgezeichnet.

Seinen Durchbruch erzielte der 1960 in Soest/Westfalen geborene und seit langem in Köln wohnhafte Zeichner gleich mit seinem ersten, in einem großen Publikumsverlag veröffentlichten Band, „Der bewegte Mann“ (1987). In dem Buch, das später sehr erfolgreich verfilmt wurde, setzte er konsequent auf ein langes Erzählformat, das ihn zu einem wichtigen Pionier der Graphic Novel machte.

Zuvor hatte Ralf König zumeist mit Kurzgeschichten brilliert, die er seit Anfang der 1980er Jahre etwa in seinen „Schwul-Comix“ veröffentlichte. Seit dieser Zeit wird Ralf König wahlweise als „wichtigster Chronist“ oder „bedeutendster Sympathieträger“ der Homosexuellen-bewegung bezeichnet.

Bis heute behält er sich eine große formale Flexibilität vor, die immer nur den Inhalten verpflichtet ist – ganz so, wie es schon Wilhelm Busch bei seinen Werken hielt. Dieser Pionier des Comics erweckte Ralf Königs Interesse an Bildergeschichten bereits in ganz jungen Jahren, als er im elterlichen Haushalt „Das große Wilhelm Busch Album“ entdeckte, das ihm bis heute ein wichtiger Wegbegleiter auf seiner künstlerischen Karriere geblieben ist.
Ganz auf Wilhelm Buschs Spuren wendet sich Ralf König gegen jegliche Versuche, das freie Denken einzuschränken, und betont stattdessen das Streben nach Selbstentfaltung – auch und gerade gegen gesellschaftliche Widerstände. Immer wieder machte Ralf König durch seine pointierte Auseinandersetzung mit Religionsthemen von sich reden, so in dem zweibändigen Werk „Dschinn Dschinn“, seinen zum Karikaturenstreit entstandenen Cartoons oder seiner „Bibel-Trilogie“, die teilweise in der F.A.Z. vorabgedruckt wurde.

Mit diesen Arbeiten, die neben ihrer unbändigen Komik auch pointierte Gesellschaftskritik beinhalten, setzt sich Ralf König in eine direkte Nachfolge von Wilhelm Busch, der sich selbst aufgrund der Geschichte „Der heilige Antonius von Padua“ zu seiner Zeit der „Herabwürdigung der Religion“ bezichtigt sah.
Auch aufgrund dieser Geistesnähe war es Ralf König eine große Freude, auf seine ganz eigene Weise Buschs bekannteste Figuren Max und Moritz für das Ausstellungs- und Buchprojekt „Wilhelm Busch und die Folgen“ zu interpretieren, das anlässlich des 2008 begangenen 100. Todestages von Wilhelm Busch initiiert wurde und bis heute wegen Ralf König unvergessen ist.

Die feierliche Preisverleihung, die am 1. November 2017 im Ratskeller in Stadthagen stattfand und von der Schaumburger Landschaft gemeinsam mit der Sparkasse Schaumburg organisiert wurde, war ein großer Erfolg. Herausragend waren neben der großen medialen Resonanz und der pointierten Laudatio der Komikerin Hella von Sinnen für Ralf König die humorvolle musikalische Begleitung durch das Huub Dutch Duo, das das Publikum mit seinen vertonten Wilhelm-Busch-Streichen zu Begeisterungsstürmen hinriss. Einen Höhepunkt bildete aber auch der Beitrag des Preisträgers selbst: Ralf König stellte eine eigene Comicgeschichte zu Wilhelm Busch vor – mit der frommen Helene als Protagonistin, über die die Gäste Tränen lachten.

2015
Hans Traxler

Hans Traxler, Jg. 1929, ist ein deutscher Maler, Cartoonist, Illustrator, Kinderbuchautor und einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Frankfurter Schule. Zudem ist er Mitbegründer des Satire-Magazins „Titanic“. Seit den 1980er Jahren veröffentlichte er Arbeiten im ZEIT-Magazin, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung und leistete damit einen zeichnerischen wie schriftstellerischen Beitrag zu gesellschaftspolitischen Themen.

Auch zahlreiche Bücher sind von Traxler erschienen, die sein Lebenswerk um eine schriftstellerische Qualität ergänzen, die ihresgleichen sucht. Aus diesem Grund wurde Hans Traxler u.a. mit dem Deutschen Karikaturistenpreis und dem Göttinger Elch für sein Lebenswerk geehrt und am 17. September 2015 im Saal des Ratskellers in Stadthagen mit dem Wilhelm-Busch-Preis ausgezeichnet.

2013
Franziska Becker

Franziska Becker, Jg. 1949, gehört zu den bedeutendsten Karikaturistinnen und Zeichnerinnen in Deutschland. Ihre Arbeit zeugt von einer scharfen Beobachtungsgabe der Lebenswirklichkeit, nicht zuletzt als Karikaturistin der ersten Stunde der Zeitschrift „EMMA“. In vielen weiteren Zeitungen und Magazinen wie etwa „Titanic“ und „Züricher Tagesanzeiger“ bezog sie pointiert Stellung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten und Missständen. Nicht zuletzt dieses politische Engagement und die Vielfältigkeit ihrer Arbeit als Illustratorin, Zeichnerin, Cartoonistin, Malerin und Objektkünstlerin wurden mit dem „Max-und-Moritz-Preis“ und dem „Göttinger Elch fürs Lebenswerk“ gewürdigt.

Die Preisverleihung fand am 26. September 2013 im Saal des Ratskellers der Stadt Stadthagen statt. Am Vorabend hatte Franziska Becker eine Ausstellung mit ihren Lieblingswerken aus ihrem persönlichen Privatbestand eröffnet. In einem Gespräch mit Dr. Gisela Vetter-Liebenow, der Direktorin des Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover – hat sie dabei ihre Arbeit vorgestellt.

2011

Ernst Kahl

Wilhelm-Busch-Preisträger 2011 war der 1949 geborene Ernst Kahl. Die Jury charakterisierte ihn als „brillantes Multitalent“, das als Maler, Zeichner, Objektkünstler, Autor, Drehbuchautor, Filmemacher, Geschichtenerzähler, Hörbuchsprecher, Songschreiber und Musiker besticht.

In seinem vielfältigen Oevre definiert Ernst Kahl nicht nur den Begriff der Komik neu, sondern auch den Begriff der Kunst. Als Entwickler und Avantgardist erschafft er neue Welten, die in ihrer Spannweite Raum und Zeit verschränken und althergebrachte Grenzen nicht kennen. Diese einmalige Fähigkeit verdankt Ernst Kahl einerseits seiner hanseatisch-dänischen Prägung, die ihn den weiten Horizont und ungezügelte Perspektive lehrte, andererseits dem frühkindlichen, prägenden Studium Wilhelm Buschs.

Er ist Feingeist der Hochkomik und gleichzeitig Beherrscher der Abgründe. Ähnlich Wilhelm Busch ist dieser Spagat für Ernst Kahl ein Leichtes, da seine altruistische, künstlerische Haltung auf einem freien Weltbild, einem fundierten Wissen und einem unerschütterlich klaren Blick auf das Ganze fußt.

In seiner Meisterschaft in Vers, Wort, Bild, Klang und Objekt spielt Ernst Kahl zwischen Opulenz, Pracht und Erhabenheit sowie Kuriosem, Skurrilem und Bizarrem und spannt seine Themen dabei vom Menschlichen und Tierischen über das Kulinarische und Zwischengeschlechtliche bis zum Politischen.

Die Preisverleihung mit einer Laudatio von Katharina Thalbach fand am 1. Juni 2011 im Saal des Ratskellers in Stadthagen statt.

2008/2009

Fritz Weigle alias F. W. Bernstein

2009 wurde der Zeichner, Grafiker, Illustrator, Lyriker und Schriftsteller Fritz Weigle, bekannt unter dem Künstlernamen F. W. Bernstein mit dem Wilhelm-Busch-Preis ausgezeichnet. Die Jury charakterisierte ihn als „innovativen Traditionalisten“ und „anachronistischen „Avantgardisten“, der unterschiedliche mit artistischer Leichtigkeit verbinde und überwinde. Fritz Weigle alias F. W. Bernstein sei seinen Schülerinnen und Schülern sowie seinen Studierenden ebenso wie seinem Publikum gegenüber stets mit „erbarmungsloser Güte und Wärme“ aufgetreten.

Fritz Weigle (1938-2018) war Kunsterzieher und anschließend bis zu seiner Pensionierung 1999 Professor für Karikatur und Bildgeschichte in Deutschland an der Hochschule der Künste, Berlin. Außerdem war Weigle Mitglied der „Neuen Frankfurter Schule“, u.a. mit F. K. Waechter und Robert Gernhardt für „Pardon“ tätig und gehörte zu den „Titanic“-Initiatoren. Die wohl bekannteste Formulierung Bernsteins ist längst Allgemeingut geworden: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche…“.

2007

Vicco von Bülow alias Loriot

2007 hatte Vicco von Bülow alias Loriot (1923-2011) den Wilhelm-Busch-Preis für sein Lebenswerk erhalten. „Es ist eine große Ehre, wenn man mit diesem Geist in Verbindung gebracht wird“, kommentierte von Bülow damals die Verbindung zum Patron des Wilhelm-Busch-Preises. In der Art und Weise, wie Trauer und Komik bei Busch verbunden seien, stecke eine ungeheure Kenntnis des Lebens. Zudem habe er selbst eine direkte Verbindung zu Busch, meinte von Bülow mit Blick auf Buschs „Turner Hoppenstedt“ („Mit kühnem Mut aus seinem Bett / Schwingt sich der Turner Hoppenstedt…“) und die aus zahlreichen Sketchen bekannte Familie Hoppenstedt.

Enorm weit gespannt war Loriots Lebenswerk – von den Anfängen in der Nachkriegszeit als Zeichner bei „Quick“ und „Stern“ und dem ersten eigenen, 1954 im Schweizer Diogenes Verlag veröffentlichten Cartoonband („Auf den Hund gekommen“) bis zu den beiden Kinohits, „Ödipussi“ (1988) und „Pappa ante Portas“ (1991); von seiner in den späten 1960er Jahre begonnenen Arbeit fürs Fernsehen als Moderator und Darsteller, Zeichner, Autor und Co-Regisseur, die in der genialen Zusammenarbeit mit der trockenhumorigen Evelyn Hamann gipfelte, bis hin zu seinen Operninszenierungen und rasend komischen Dirigierarbeiten. Last but not least hat Loriot 35 Bücher verfasst. Für sein vielfältiges Oeuvre wurde Loriot mit unzähligen Preisen, Verdienstorden und Ehrendoktoraten ausgezeichnet.

All diese biographischen Wegmarken rücken freilich in den Hintergrund angesichts jenes mentalitätsgeschichtlichen Wunders, zu dem Vicco von Bülow mit seinem Gesamtwerk maßgeblich beigetragen hat: der Karthasis der Deutschen nach dem Schrecken von Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg und der dauerhaften Lockerung ihres Humors. Viele Bonmots aus Loriots unerschöpflichem Repertoire sind zu geflügelten Worten der deutschen Alltagssprache avanciert: „Das Bild hängt schief“, „Früher war mehr Lametta“, „Wo laufen Sie denn?“ oder das knappe und doch alles umfassende „Ach was?!“

2006

Robert Gernhardt

Robert Gernhardt hat den Wilhelm-Busch-Preis 2006 erhalten.

Früher oder später mussten ja Gernhardt-Bilder im Busch-Geburtshaus hängen.

Zu vieles eint die beiden, vor allem der stete Wechsel zwischen den Sparten und Berufsfeldern, die Meisterschaft in vielen Genres. Damit könnte die Begründung für eine Robert-Gernhardt-Ausstellung in Wiedensahl bereits zu Ende sein. Das wäre verhältnismäßig einfach, vor allem für den Autor dieses Beitrages. Aber das ist natürlich nicht gewollt. So ein Feld-, Wald- und Wiesenfeuilletonist aus der Abteilung Lokalzeitung hat`s auch nicht immer leicht, ich sag´s Ihnen. Ein „Ausstellungstext“ soll es sein, hübsch und verständlich, der den Besuchern und solchen Menschen, aus denen noch Betrachter werden sollen, Handreichungen bietet, warum man sich gerade jetzt Bilder von Robert Gernhardt ansehen soll, und vor allem, warum derentwegen der Weg nach Wiedensahl lohnt. Die Klärung des zweiten Frageteils ist wirklich vonnöten, schließlich unternimmt jeder einen längeren Ausflug ins Busch-Dorf. Um die Ecke liegt`s schließlich nicht.

Die erste Frage jedoch ist noch kürzer zu beantworten: Warum nicht? Gibt es aber auch als „director`s cut“: Jeder unter den derzeit mehr oder minder Lebendigen in Deutschland hat in seinem Leben mindestens einmal über einen Einfall, eine Arbeit von Robert Gernhardt gelacht. Mit dem nüchternen Blick des Statistikers dürfte aus dieser These rasch eine Tatsache werden. Gernhardt ist Allgemeingut. Das unterscheidet ihn von Goethe. Den hat jeder als Bildungstapete im Regal, Gernhardt hingegen im Kopf. Und besser zeichnen konnte der Elchkritiker auch.

Sowieso.

Kennen Sie das? „Lieber Gott, gib´ doch zu, dass ich klüger bin als Du. / Und nimm` doch endlich hin, dass ich was Besondres bin. / So nun preise meinen Namen, denn sonst setzt etwas. Amen.“ Haben Sie auch über die wunderschöne Vorstellung gelacht, dass die MS Titanic, früher unterwegs als MS Charlotte, Rettungsringe aus purem Gold hatte und deswegen vom rechten Weg abgekommen ist, weil sich ein Eisbär in dem Kahn verbissen hatte? Waren Sie Ohrenzeuge der Beerdigung von Karl Soost in Goslar? Wissen Sie um die Problematik bei Kellerwohnungen auf Hausbooten? Sind Ihnen das Schicksal scheiternder Hunde bekannt und die Rettung Livingstones? Haben Sie sich auch schon einmal gefragt „Was soll nur aus mir werden, wenn ich nicht mehr bin?“ Nicht? Sie glücklicher Mensch, was haben Sie noch alles vor sich … . Den anderen zur Bestätigung: Jawoll, ist von Gernhardt. Zumindest unter dessen entschiedener Mitarbeit im NFS-Kreis, der Neuen Frankfurter Schule, entstanden. Dafür kann man gar nicht dankbar genug sein.

Nun nähert sich die Argumentationslinie dieses Beitrages, der ausdrücklich für einen Besuch in der Gernhardt-Ausstellung werben soll, auch zügig der geistigen Anleihe bei fremden Autoritäten, um diese Gebrauchsschreiberei zum von der Museumsleiterin gewünschten Ziel zu führen. Schließlich werden im Busch-Geburtshaus keine Texte ausgestellt – sondern Bilder. So ein Multitalent macht es einem auch nicht leicht. „Inhaltlich war er querbeet in allem fit und firm“, hat F. W. Bernstein über seinen Freund, Kommilitonen und Kollegen auf die Frage nach dem Besonderen am Zeichner und Maler Gernhardt gesagt. Und: „Auch als Zeichner war er mindestens zur Hälfte ein Wortspieler.“ Dabei habe er immer auf Verständlichkeit geachtet. „Dieselben Kriterien gelten für die gereimten, komischen Gedichte.“ Eines indes habe Gernhardt, so erklärt es der frühere Zeichenprofessor Fritz Weigle, aber stets unterlassen: Nie habe dieser versucht, auch noch Hochkunst aus seinen komischen Arbeiten zu machen. Das hatte er auch gar nicht nötig. „Er war sein sehr guter Maler.“ Außerdem lobt der akademisch geschulte Elchkritiker-Kollege: „Er war ein sehr guter Tierzeichner. Einer der allerbesten.“ „Aktuelle Zeitkritik, Illustrationen, Tiercartoons – die volle Bandbreite“ habe Gernhardt zu bieten. Dabei hat der Busch-Preisträger die „Medien streng voneinander getrennt“. Für Komisches habe er die Strichzeichnung genutzt, beim unterhaltenden Cartoon einen ganz anderen Strich gehabt. Und wieder die Betonung: Alles immer verständlich.

Das macht den Reiz der Ausstellung „Vom Schönen, Guten, Baren“ aus. Sie zeigt genau das, was der Titel verspricht. Und das ist tatsächlich eine immense Bandbreite, und doch nur ein Bruchteil überbordenden Gernhardt`schen Schaffens. Immerhin lassen die etwa 60 Bilder das ungeheure Können, die außergewöhnliche Meisterschaft Gernhardts, des NFS-Musterschülers, der unter seinesgleichen der wohl Vollkommenste war, ahnen. Eine Ausstellung mit Bildern zum Staunen, Freuen, Zweifeln, Lachen – was will man mehr? Es gibt die graphische Antwort auf die Frage nach der schönsten Art, „Ich liebe mich“ zu sagen, und praktische Toskana-Lektionen, Anleitungen zum Weltschamtag und die zum Niederknien schön komponierte Geschichte vom Schicksal eine Bahnhofwärters. Zudem – na klar – die scheiternden Hunde, die exemplarisch für Bernsteins Erklärung Gernhardt´scher Grafik stehen, vielmehr hängen: verständlich, aber nicht vordergründig. Ein Stolperstein ist fürs träge Hirn ist eingebaut, schließlich soll „Frido“ nicht das Stöckchen apportieren.

Wenige Tage vor seinem Tod im Sommer 2006 hat Robert Gernhardt den ihm angetragenen Wilhelm-Busch-Preis angenommen und ausdrücklich auf die Verbundenheit zum Wiedensahler hingewiesen. Leicht wäre es zu behaupten, Gernhardt habe über mehr Begabungen als der Namensgeber des Schaumburger Kulturpreises verfügt, doch das ließe eines außer Acht, die technischen Möglichkeiten nämlich in unterschiedlichen Epochen. Vielleicht hilft dieser Ansatz: Jeder der beiden hat die Medien genutzt, gestaltet, geprägt und mit Maßstäben versehen, derer er sich jeweils bedienen konnte. Gernhardt war – und die Antwort auf die Frage, ob Busch dieses ebenso geglückt wäre, bleibt im freundlichen Fall hypothetisch – nicht nur ein brillanter Maler, Zeichner, Dichter, Autor und Essayist, sondern darüber hinaus – auch und gerade im Verbund mit Peter Knorr und Bernd Eilert – ein exzellenter Unterhalter. Davon zeugen die auf CDs konservierten Lesungen „Erna, der Baum nadelt“, „Die schärfsten Kritiker der Elche“ und „Das Ungeheuer von Well Ness“. Um die Vielfachbegabung Gernhardt nicht auf einen allzu hohen Altar zu stellen, hier ein hübscher Einwand von Oliver Maria Schmitt, dessen Band „Die schärfsten Kritiker der Elche in Wort und Strich und Bild“ keinesfalls neben der „Faust“-Prachtausgabe verstauben sollte, sondern gekauft, gelesen, unters Kopfkissen gelegt, verstanden und bewundert werden müsste. Schmitt über Gernhardt: „Immerhin – er komponiert nicht, entwirft keine Vasen und hat eine leichte Matheschwäche.“ Auch dafür muss man dankbar sein, mindert´s doch die Anlässe für weitere Komplexe.

Was nun Busch und Gernhardt sowie Gernhardt mit Busch verbindet, kann der geneigte Wilhelm-Busch-Geburtshaus-Besucher (es geht doch nichts über griffige Formulierungen) vom „Elchkritiker“ und NFS-Musterschüler selbst erfahren, hat er es doch als „Tusch für Busch“ auf zwei Silberlinge bannen lassen, die als legale Kopie im Museumsshop erhältlich sind. Wie gesagt: Früher oder später mussten ja Gernhardt-Bilder im Busch-Geburtshaus hängen.

Christoph Oppermann (to)

Jury

Dr. Eva Jandl-Jörg

Dr. Eva Jandl-Jörg studierte Konservierungs- und Kulturwissenschaft an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Dort wurde sie 2008 mit einer Arbeit zur Glasmalerei der Jahrhundertwende promoviert. Sie lehrte an der Universität für angewandte Kunst in Wien und an der Universität Mozarteum in Salzburg. Bis Januar 2023 war sie Leiterin und Kuratorin der Sammlungen Grafik und bildenden Kunst ab 1800 am Salzburg Museum und kuratierte zahlreiche Ausstellungen.

Seit Februar 2023 ist Frau Dr. Jandl-Jörg Direktorin des Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst in Hannover.

Foto: ©Andreas Hechenberger

Tillmann Prüfer

Tillmann Prüfer, geboren 1974 in Mainz, ist stellvertretender Chefredakteur des ZEITmagazins. Im ZEITmagazin schreibt er eine Stil-Kolumne und die Serie „Prüfers Töchter“ über seine vier Kinder. Außerdem erscheint im Handelsblatt jede Woche „Prüfers Kolumne“. Er wurde mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet, darunter der Glossenpreis „Segen“ und der Medienpreis Mittelstand, der Nachwuchspreis des Georg von Holtzbrinck Preises für Wirtschaftspublizistik, dem Columbus-Förderpreis der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten und der Nachwuchspreis des COR-Preises für Designjournalismus. Er ist Autor und Co-Autor mehrerer Bücher, im Mai 2009 veröffentlichte er zusammen mit seinem Bruder Benjamin Prüfer das Buch „Mein Bruder – Idol, Rivale, Verbündeter“, welches im Scherz-Verlag erschien. Im August 2012 erschien von ihm „Früher war das aus Holz – Warum Eltern immer die bessere Kindheit hatten“. 2015 erschien das Buch „Der Heilige Bruno“ – in dem Prüfer in Tansania der Lebensgeschichte seines Urgroßvaters, des Missionars Bruno Gutmann, nachspürte. 2018 kam „Weiß der Himmel“ heraus, ein Buch, in dem er seine Erfahrungen der christlichen Sinnsuche beschrieb. Zuletzt erschienen bei Kindler 2020 „Jetzt mach doch endlich mal das Ding aus“ über das Leben mit Kindern und ihren Smartphones und 2022 „Vatersein – warum wir mehr denn je neue Väter brauchen.“

Foto: ©Max Zerrahn

Martin Jurgeit

Martin Jurgeit gilt als einer der besten Kenner der deutschen und europäischen Comicszene. Er publiziert regelmäßig zu Comic-Themen u.a. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Darüber hinaus ist er langjähriger Chefredakteur der Fachzeitschriften COMIXENE und COMIX.

Als Kurator betreut er Ausstellungs- und Buchprojekte wie z.B. die große Jubiläums-Wanderausstellung „Wilhelm Busch und die Folgen“.

Prof. Dietrich Grünewald

Prof. Dr. Dietrich Grünewald war seit 1978 im Hochschuldienst der Universität Dortmund tätig, hier vor allem im Bereich der Kunstdidaktik. Darüber hinaus lehrte er an den Universitäten Frankfurt am Main, Gießen und Münster. Ab 1995 hatte er eine Hochschulprofessur für Kunstdidaktik/Kunst und Kunsttheorie des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart an der Universität Koblenz-Landau inne.

Prof. Dr. Grünewald ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Kunst und Unterricht“ und war bis 2013 Vorsitzender der Gesellschaft für Comicforschung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört neben der Kunstdidaktik die wissenschaftliche Bearbeitung von Comics, Karikaturen und Bildgeschichten.